Was versteht man unter einer AU-Klausel?
Unterschiede bei den AU-Klauseln
Im Gegensatz zur Berufsunfähigkeit (BU) wird bei einer Arbeitsunfähigkeit (AU) davon ausgegangen, dass eine gesundheitliche Besserung in absehbarer Zeit möglich ist. Wiedereingliederungsversuche haben in der Regel keine negativen Auswirkungen auf die Leistungserbringung, und viele Versicherer bieten eine garantierte Rentenerhöhung auch für AU-Leistungen an. Dennoch gibt es zwischen den verschiedenen AU-Klauseln Unterschiede, insbesondere in folgenden Punkten:
- Leistungsdauer: Zeitraum, in dem ausschließlich aufgrund von Arbeitsunfähigkeit Leistungen erbracht werden.
- Zusätzliche Kosten: Höhe der Mehrkosten für die Erweiterung des Versicherungsschutzes.
- Antragsvoraussetzungen: Ob eine einfache Krankschreibung („Gelber Schein“) ausreicht oder gleichzeitig ein Antrag auf Berufsunfähigkeit gestellt werden muss.
Die unterschiedlichen AU-Regelungen der Versicherer
Nachfolgend eine Übersicht über einige AU-Klauseln, die derzeit auf dem Markt angeboten werden (Stand: März 2024):
Anbieter | Mehrkosten | Leistungsdauer | Reicht „Gelber Schein“? | Besonderheiten |
---|---|---|---|---|
Allianz | keine | 36 Monate | nein | Leistung ab 0 Monaten AU, wenn ein Facharzt eine voraussichtliche Dauer von mindestens 6 Monaten prognostiziert. |
Alte Leipziger | ca. 3,6 % | 24 Monate | ja | Leistung nach 4 Monaten AU, falls ein Facharzt eine voraussichtliche Dauer von mindestens 6 Monaten bestätigt. |
AXA | ca. 4,7 % | 24 Monate | nein | Leistung nach 4 Monaten AU mit entsprechender Facharztprognose. |
Barmenia | ca. 5,7 % | 18 Monate | ja | Leistung nach 4 Monaten AU mit ärztlicher Prognose. |
Baloise (früher Basler) | ca. 6 % | 36 Monate | ja | Antrag auf Leistung muss spätestens 4 Wochen nach Ende der AU gestellt werden. |
Canada Life | keine | 24 Monate | nein | AU-Leistung endet, wenn keine BU festgestellt wird. |
Condor | ca. 6,5 % | 36 Monate | ja | Anspruch besteht nach 6-monatiger Krankschreibung mit ärztlicher Bestätigung. Versicherer prüft gleichzeitig auf BU, falls nicht anders beantragt. |
Continentale | ca. 13 % | 24 Monate | ja | AU-Leistung nur in Kombination mit weiteren Leistungserweiterungen möglich. |
Deutsche Ärzteversicherung | ca. 4,6 % | 24 Monate | ja | Nachprüfung durch eigenen Gutachter möglich. |
ERGO | ca. 14,9 % | 18 Monate | ja | Leistung nach 4 Monaten AU mit ärztlicher Prognose. AU-Leistung nur in Verbindung mit zusätzlichen Leistungserweiterungen. |
Gothaer | ca. 10,6 % | 36 Monate | ja | Anspruch bei AU über mindestens 6 Monate oder ab 4 Monaten mit Prognose für weitere 2 Monate. |
HDI | ca. 6,5 % | 36 Monate | ja | Zukunftsgerichtete Krankschreibungen werden maximal 5 Wochen berücksichtigt. |
Nürnberger | ca. 7 % | 24 Monate | ja | Leistung ab 3 Monaten AU mit ärztlicher Prognose. |
Zurich | ca. 2,8 % | 24 Monate | ja | Leistung nach 4 Monaten AU, jedoch entfällt die rückwirkende Zahlung, wenn der Antrag erst nach 9 Monaten gestellt wird. |
Warum eine AU-Klausel sinnvoll sein kann
Eine AU-Klausel kann für Versicherte erhebliche Vorteile bringen:
- Schnellere Leistungsprüfung: Da Arbeitsunfähigkeit einfacher nachzuweisen ist als Berufsunfähigkeit, erfolgt die Bearbeitung meist zügiger.
- Absicherung finanzieller Lücken: Sie kann Einkommensausfälle zwischen Krankengeld (maximal 121 € pro Tag für 78 Wochen in der gesetzlichen Krankenversicherung) und einer möglichen BU-Rente verringern.
- Eine Höhere Wahrscheinlichkeit auf eine Leistung: Laut der Leistungspraxisstudie 2020 von Franke & Bornberg wurden 55 % der BU-Leistungsanträge abgelehnt, da der medizinische BU-Grad von 50 % nicht erreicht wurde. Bei einer AU-Klausel hätten viele dieser Antragsteller dennoch Leistungen erhalten. So erhalten Sie schneller die Vereinbarte Leistung
Manche Versicherer bieten zudem eine Kombination aus Krankentagegeld und Berufsunfähigkeitsversicherung an, um einen nahtlosen Übergang sicherzustellen. Beispielsweise ermöglicht das „Verdienst-Sicherungs-Programm (VerSiPro)“ der Barmenia eine durchgehende Absicherung ohne zusätzliche Kosten.
Besonderheiten der AU-Klausel für Privatversicherte
Für Personen mit privater Krankenversicherung (PKV) gibt es einige Besonderheiten bei der Kombination einer Arbeitsunfähigkeitsklausel (AU) mit einer Krankentagegeldversicherung (KTG).
Erlaubnis des KTG-Versicherers notwendig?
Gemäß § 9 Nr. 6 der Musterbedingungen für Krankentagegeldversicherungen (MB/KT 2009) darf eine Krankentagegeldversicherung grundsätzlich nur mit Zustimmung des Versicherers abgeschlossen werden. Falls diese Zustimmung fehlt, kann der KTG-Anbieter unter Umständen seine Leistung verweigern und den Vertrag nach § 10 Nr. 1 und 2 MB/KT 2009 sogar kündigen.
Allerdings wird eine AU-Klausel nach gängiger Rechtsauffassung nicht als Krankentagegeldversicherung im Sinne dieser Vorschriften angesehen. Argumente hierfür sind:
- Unterschiedliche Absicherungszwecke: Während die KTG-Versicherung den Verdienstausfall während einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfall abdeckt, dient die AU-Klausel der Absicherung einer vorübergehenden Unfähigkeit zur Berufsausübung – unabhängig von einer Heilbehandlung.
- Besteuerung: Die Leistungen aus der AU-Klausel werden steuerlich wie eine Berufsunfähigkeitsrente behandelt. Also sind Sie Steuerpflichtig – siehe Blog-Beitrag dazu
- Auszahlungsmodus: Während das Krankentagegeld als Tagessatz gezahlt wird, erfolgt die Auszahlung der AU-Leistung in monatlichen Beträgen.
Diese Auffassung wurde auch durch das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigt (Az. 12 U 381/04 vom 16.06.2005). Zudem haben die Barmenia und die Hallesche Krankenversicherung diese Sichtweise explizit bestätigt, sodass deren Kunden hierauf vertrauen können.
Dürfen KTG und AU-Leistungen das Nettoeinkommen übersteigen?
Nach § 4 Nr. 2 MB/KT 2009 darf die Kombination aus Krankentagegeld und „sonstigen Krankentage- und Krankengeldern“ das durchschnittliche Nettoeinkommen der letzten 12 Monate – umgerechnet auf einen Kalendertag – nicht überschreiten. Die Frage, ob AU-Leistungen als „sonstiges Krankengeld“ in diesem Sinne gelten, ist rechtlich nicht abschließend geklärt.
Nach unserer Einschätzung fallen AU-Leistungen nicht in diese Kategorie, da sie sich in Zweck und Ausgestaltung vom Krankentagegeld unterscheiden (s. o.). Einige private Krankenversicherer haben uns bereits ausdrücklich bestätigt, dass sie AU-Leistungen bei der Berechnung des maximalen Krankentagegeldes nicht anrechnen. Andere Versicherer berücksichtigen AU-Leistungen jedoch möglicherweise, wobei in vielen Fällen zusätzlich die selbst zu tragenden Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung zum Nettoeinkommen hinzugefügt werden.
Praxisfall: Krankentagegeld und AU-Klausel bei Long COVID
Wie sich eine AU-Klausel und eine Krankentagegeldversicherung optimal ergänzen können, zeigt sich in der Praxis am Beispiel von Post-COVID- oder Long-COVID-Erkrankungen. Eine detaillierte Analyse dazu finden Sie unter Krankentagegeld und BU-Rente: Praxisfall Post-COVID / Long-COVID-Syndrom.